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In a recent article in one of the biggest German weekly newspapers Die Welt about the resignation of Jewish Museum’s Director Peter Schäfer, the author cites B’nai B’rith International’s criticism of the position and statements of the museum. 

 Talmud-Gelehrte sind zwar notorisch streitfreudig, wenn es um die Auslegung religiöser Schriften geht, aber vielleicht auch deshalb in tagespolitischen Fragen eher zurückhaltend. Deshalb war es eine Sensation, als 45 Talmud-Gelehrte einen offenen Brief unterschrieben, in dem sie eine „wachsende Zensur und die Einschränkung der Redefreiheit“ in Deutschland
beklagten.

Anlass war der Rücktritt eines der Ihren – des deutschen Talmud-Gelehrten Peter Schäfer – als Direktor des Jüdischen Museums Berlin (JMB). Einer der Urheber des Briefs, Ishay Rosen Zvi von der Universität Tel Aviv, nannte es „empörend“, dass Schäfer Antisemitismus vorgeworfen worden sei.

„Blood libel“ gegen Schäfer?

Zwar hat wohl niemand diesen Vorwurf erhoben, doch Zvi ging weiter und sprach von einer „blood libel“ gegen Schäfer. Unter „blood libel“ versteht man die Lüge, die Juden würden das Blut geschächteter christlicher Kinder benutzen, um ihre Pessach-Matzen zu backen. Eine Verleumdung, die im Mittelalter immer wieder zu mörderischen Pogromen führte. Die Gleichsetzung der vor allem von jüdischen Organisationen wie dem Zentralrat oder B’nai B’rith erhobenen Kritik an Schäfer mit dem Judenhass christlicher Fanatiker ist so absurd, dass man an Zvis akademischer Qualifikation noch mehr zweifeln muss als an seiner politischen Urteilskraft. Aber sie ist kennzeichnend für die Bitterkeit, die – so scheint es zumindest –
Schäfer selbst in die Auseinandersetzung um seinen Rücktritt getragen hat. In einer von über 370 Wissenschaftlern aus aller Welt unterzeichneten Erklärung wird nämlich von einer „erzwungenen Demission“ des Direktors gesprochen. Wenn Schäfer zum Rücktritt gezwungen wurde, dann hätte das nur Monika Grütters tun können. Als Staatsministerin für Kultur und Medien führt sie den Vorsitz im Stiftungsrat, der das Museum kontrollieren soll. Sollte Grütters dem Direktor den Rücktritt nahegelegt haben, dann kann nur Schäfer das wissen und weitergetragen haben.

Die 370 Gelehrten reden auch von „Lügen“ und „falschen Anschuldigungen“ gegen Schäfer. Die gleiche Formulierung findet sich im Brief des Vorsitzenden des Vereins der Freunde des Museums, Walter Kuna an alle Vereinsmitglieder. Das ist eine Praxis des Generalverdachts gegen Kritiker, die so empörend ist, wie es die – unbelegte – erzwungene Demission des Direktors wäre.

Nur eine Person wurde gefeuert

Tatsächlich ist nur eine Person am JMB gefeuert worden, und zwar Pressesprecherin Katharina Schmidt-Narischkin. Jahrelang hat sie loyal ihren Chef abgeschirmt und verteidigt. Kein Akademiker hat gegen diesen Willkürakt protestiert, der für den im JMB herrschende autoritären Stil typisch ist, dem sich viele Mitarbeiter – allen voran Programmdirektorin
Léontine Meijer-van Mensch – durch Weggang entzogen haben. Als Ergebnis bleibt die Dauerausstellung geschlossen, das geplante Kindermuseum unfertig, die Akademie des Museums ohne Führung.

Und wenn es um falsche Anschuldigungen geht, so muss vor allem die Unterstellung genannt werden, Benjamin Netanjahu habe bei Angela Merkel interveniert, was letztlich zu Schäfers „erzwungener Demission“ geführt habe. Eine Falschmeldung, die eine Zeitung von der anderen abschreibt, ohne die Quelle zu prüfen: Ein Artikel in der israelischen „Haaretz“, die ihrerseits einen Artikel der Berliner „taz“ überinterpretierte und mit einer irreführenden Überschrift versah.

Tatsächlich fand im Rahmen der deutsch-israelischen Regierungskonsultationen Ende 2018 ein Austausch von „Non-Papers“ statt. Das ist ein üblicher Vorgang, bei dem eine Seite die andere ausdrücklich unterhalb der Ebene offizieller Noten oder diplomatischer Demarchen auf bestimmte Sorgen aufmerksam macht – etwa auf die Geschichtsdarstellung in Schulbüchern oder die Unterbesetzung einer Konsulatsabteilung. In einem dieser Non-Papers, das ein Mitarbeiter des Auswärtigen Amts an die „taz“ durchstach, äußerte die israelische Seite ihr Befremden über die Jerusalem-Ausstellung des JMB, die nicht nur nach ihrer Meinung das jüdische Narrativ unzureichend berücksichtigte.

Staatsministerin Grütters hat sich dieser Kritik nicht angeschlossen. Sie hat die Ausstellung verteidigt und Schäfers Vertrag vier Monate nach der israelischen Intervention verlängert – was man als gezielte Brüskierung der Regierung Israels deuten könnte, aber kaum als Kotau vor Netanjahu. Bloße Fakten hindern aber keinen Netanjahu-Hasser daran, die Fake News zu
verbreiten, der jüdische Staat bestimme die Personalpolitik im deutschen Kulturbetrieb.  Weil sich der Zentralrat der Juden über einen Tweet des Museums empörte, in dem die Resolution des Bundestags zur antiisraelischen Boykottbewegung BDS kritisiert wird, beschimpfte Micha Brumlik den Zentralrat in der „taz“ als „Hofjuden“. Empörend ist dabei weniger, dass der emeritierte Professor der Erziehungswissenschaften den Zentralrat kritisiert, sondern dass er die Bundesrepublik mit einem feudalen Duodezfürstentum vergleicht.

„Blick nach vorn richten“

Inzwischen hat der Stiftungsrat getagt und Worte gewählt, die auch für auslegungsfreudige Talmud-Gelehrte eindeutig sind: Es sei „einmal mehr deutlich geworden, dass gerade auch Juden sich in der Arbeit des JMB wiedererkennen müssen und die nicht jüdische Welt mehr über das Judentum erfährt. Aus Fehlern der Vergangenheit haben Prof. Schäfer und das Museum ihre Konsequenzen gezogen. Jetzt heißt es, den Blick nach vorn zu richten.“

Die Grammatik ist schief, die Aussage klar: Viele Juden in Deutschland haben sich im JMB nicht wiedererkannt. Die nicht jüdische Welt hat zu wenig über das Judentum erfahren. Deshalb musste Schäfer gehen. Bis zur Benennung eines neuen Direktors oder einer neuen Direktorin im Frühjahr 2020 soll eine „Vertrauensperson“ den Stiftungsrat „in konzeptionellen Fragen beraten“. An dieser Personalie wird man erkennen können, ob das JMB tatsächlich den Blick nach vorne richtet und sich das „J“ im Namen wieder verdienen will.